hingehören

Ich bin ich, und das ist genug, ich bin nicht angewiesen auf andere, mein Glück ist nicht abhängig von anderen Menschen. Ich bin mir selbst Gesellschaft genug.

 

Hat Zora irgendeinmal in ihr Tagebuch geschrieben, dass sie vor der Reise gekauft hat, schöner Einband aus Leine, eine nicht ganz günstige Investition und ausserdem der wohl schwerste Gegenstand in ihrem Rucksack. Aber es lohnt sich, hat Zora sich gesagt.

 

Traurig, ohne dich Weihnachten zu feiern! Heute sind Oma und Opa gekommen, und wir haben Braten und Kekse gegessen, Oma hat wieder einmal völlig übertrieben, 11 Sorten hat sie gemacht. Aber wenn es ihr doch so Freude macht… Wir hatten doch ein wirklich schönes Fest. Wie geht es dir? Küsschen

 

Hat die Mutter ihr geschrieben, begleitet von einem Foto der versammelten Familie um den grossen Tisch, alles und alle feierlich geschmückt und lachend, die Farben warm und strahlend.

 

Sie läuft durch die Strassen von irgendeiner Stadt in Südamerika, hier ist noch nicht Abend, noch nicht Heiligabend. Ach Scheissweihnachten, denkt Zora, und fühlt sich doch plötzlich sehr alleine und weit weg von ihrer Familie. Natürlich ist sie nicht alleine, sie hat gestern gefeiert mit den Leuten aus ihrem Hostel und später mit einem von ihnen geschlafen, es war ganz okay.

 

Zora schreibt ihrer Mutter wo sie gerade ist und dass es ihr super gehe. Sie fügt einige Fotos hinzu, ein bisschen Landschaft, ein bisschen Stadt, ein Selfie von ihr mit irgendwelchen Leuten, von denen sie grösstenteils die Namen schon wieder vergessen hat.
Und sie denkt, dass sie trotzdem gerne wenigstens eine dieser 11 Sorten probieren möchte.

 

Stattdessen raucht sie eine Zigarette. Es wird langsam Abend, und ein kleines bisschen kühler. Sie denkt darüber nach was sie heute gemacht und was das für einen Sinn gemacht hat. Sie findet keinen. Sie raucht noch eine und geht zum Hostel zurück.

 

 Von Nina Hurni